Spiegelsaalrede

Spiegelsaalrede vom 18.10.2013

Spiegelsaalrede des Kolping-Erwachsenen-Bildungswerk beschäftigte sich mit den Folgen des Geburtenrückgangs
Dr. Martin Bujard und die stellv. Landrätin/komissarische Vorsitzende des Kolping-Erwachsenen-Bildungswerkes Rita Böhm

„Kinder kriegen die Leute sowieso“ – so Konrad Adenauer 1957. Dr. Martin Bujard vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung zeigte anhand vieler Zahlen und Statistiken, dass dies in Deutschland schon lange nicht mehr stimmt und wies auf die wirtschaftlichen und politischen Folgen hin. Die sich abzeichnende Alterung der Gesellschaft sowie der Bevölkerungsrückgang haben zum einen Auswirkungen auf die Sozialsysteme: immer weniger Erwerbstätige werden für immer mehr Rentner aufkommen, was Auswirkungen auf das Rentenniveau und eine Anhebung des Ruhestandsalters haben wird, andererseits wird  der Beitragssatz für Arbeitnehmer und Arbeitgeber steigen.

Politisch gesehen wird der Einfluss Deutschlands in der EU und in der Nato sinken; es ist mit einer Verschiebung der Stimmrechte zu Gunsten Frankreichs, Großbritanniens und ev. der Türkei zu rechnen, da die Einwohnerzahlen dort konstant bleiben bzw. wachsen (Türkei) in Deutschland hingegen sinken.

Im Gegensatz zu den Kosten des Alters, die schon lange vergesellschaftet sind, bleiben die Belastungen der Kindererziehung weitgehend privat.

Dr. Bujard wies darauf hin, dass ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren wichtig sei, um eine wirkungsvolle Familienpolitik in Gang zu setzen, komplett steuern lasse sich die Geburtenrate aber nicht.

Wichtig seien familienfreundliche Arbeitszeitmodelle (Gleitzeit, Jahresarbeitszeitkonten, Arbeiten von zu Hause aus etc.). Das niedrige Geburtenniveau in Deutschland wurde lange Zeit mit einer auf traditionelle Familie ausgerichteten Politik erklärt. Inzwischen habe Deutschland aber mit dem Elterngeld und dem Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen einen Pfadwechsel erreicht.

Trotzdem: die Geburtenziffer, berechnet nach Kalenderjahren, liegt in der Bundesrepublik seit 1975 zwischen 1,24 und 1,45 Kindern pro Frau und erreichte im Jahr 2011 einen Wert von 1,36. (Der Wert für Eichstätt: 1,45).

Die Moderatorin des Abends, Rita Böhm, stellvertretende Landrätin und kommissarische Vorsitzende des Kolping-Erwachsenen-Bildungswerks wies auf die von Dr. Bujard in einem Artikel erwähnte Rush-hour des Lebend hin: Im Alter zwischen 25 und 40 Jahren fielen oft zeitgleich intensive berufliche und familiäre Aufgaben an, Kinder würden auf einen späteren Zeitpunkt verschoben -  bis es irgendwann zu spät sei.

Bereits im letzten Jahr hatte Kolping mit dem Vorsitzenden Richter am Hessischen Landessozialgericht, Dr. Jürgen Borchert, einen Referenten, der die Tatsache, dass die Zahl der Geburten innerhalb von fünfzig Jahren halbiert und der Anteil der Kinder im Sozialleistungsbezug auf das Sechzehnfache multipliziert wurde, als einen Bewies für das Scheitern des Sozialstaats wertet.

Einigkeit herrschte darin, dass gerade die kirchlichen Verbände noch mehr Fürsprecher für Familien sein müssten. So unterstützen u.a. Kolping und KAB die Forderung einer reduzierten Mehrwertsteuer auf Produkte und Dienstleistungen für Kinder.

In der Diskussion wurde auch angesprochen, dass man vom Staat nicht mehr, aber auch nicht weniger verlangt, als dass die Familien ihre Kinder zuerst aus dem selbst erwirtschafteten Einkommen großziehen können müssen, statt zu Empfängern staatlicher Almosenpolitik („Familien stärken / unterstützen“ usw.)  zu werden.

 

22.10.2013