Kolping-Bildungszentrum Roth: Hilfe für den Start ins Berufsleben

Statt Pumpen werden Perspektiven produziert: Kolping qualifiziert am alten Firmensitz von Speck Jugendliche mit besonderem Förderbedarf - 01.08.2014 17:29 Uhr ROTH - Sie heißen Bildungsverlierer, Abgehängte, Benachteiligte. Schüler ohne Schulabschluss oder Ausbildungsstelle haben viele Namen. Aber auch Möglichkeiten, Versäumtes nachzuholen. Im ehemaligen Produktionsgebäude der Speck-Pumpenfabrik sind die Maschinen längst Klassenzimmern und Werkräumen gewichen. Denn das Kolping-Bildungszentrum suggeriert hier Jugendlichen mit besonderem Förderbedarf: „Wer sich helfen lässt, dem wird auch geholfen“. Jetzt gab es Zeugnisse - und kleine Erfolgsstorys.

Pumpen, Pumpen und noch mehr Pumpen. Die beförderten den Namen Speck dereinst hinaus in die Welt und tun es noch. Mit „innovativen Lösungen für Ihren Erfolg“ wirbt das Unternehmen an der Rother Lände – und produzierte zu diesem Zweck bis ins Jahr 2000 hinein auch in der Gartenstraße. Dort werden heute zwar keine Pumpen mehr hergestellt, aber weiterhin Erfolgslösungen gesucht. Denn in dem Flachbau befindet sich inzwischen das Kolping-Bildungszentrum. Erklärtes Ziel seiner elf Mitarbeiter: Jugendliche in eine Ausbildung oder Arbeitnehmertätigkeit vermitteln, sie „qualifizieren“. Jugendliche, die andernfalls Gefahr laufen, durchs gesellschaftliche Raster zu fallen. Susanne Laubinger ist an diesem Vormittag gut gelaunt, und hat auch allen Grund dazu. Die ehemalige Schülerin des Sonderpädagogischen Förderzentrums war elf Monate lang „Kundin“ des Bildungsträgers Kolping, der im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit agiert. „Hochzufrieden“ sei sie mit den ihr angediehenen Leistungen. Die 17-Jährige hat hier nämlich nicht nur den Hauptschul-Abschluss gepackt, sondern gleich noch eine Ausbildungsstelle als Verkäuferin draufgesattelt. Ein Praktikum im Rahmen der Kolping-Bildungsmaßnahme machte Letzteres möglich. Jetzt ist die junge Dame natürlich „g’scheit stolz“. Denn alle Ziele, die sie sich gesteckt hatte, seien erreicht: Der Zug fährt in Richtung Zukunft! Auch Natalia Haras ist happy. Als sozialpädagogische Begleitung und Bildungsbegleiterin hat sie diese jüngste Etappe im Werdegang der Teenagerin flankiert. – Einfach? Nein, das sei es beileibe nicht immer. „Wie oft bin ich morgens schon vor dem Bett eines Jugendlichen gestanden, um ihn in unseren Unterricht oder ins Praktikum zu befördern, weil die Mutter es nicht geschafft hat...“. Doch Beispiele wie jenes von Susanne Laubinger würden demonstrieren: „Wer die Sache bereitwillig und motiviert antritt, der hat auch Erfolg“, glaubt Natalia Haras. Der wurzelt bei Kolping in den drei Buchstaben BvB – Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme. Will heißen: Um auch „Jugendliche mit besonderem Förderbedarf“ ins Berufsleben einzugliedern, warten in der Gartenstraße fünf Seminarzimmer, zwei EDV-Räume, zwei Büros und mehrere Werkstätten auf Teilnehmer. Junge Menschen unter 25 Jahren, die in aller Regel von den Berufsberatern der Arbeitsagentur geschickt werden, um einen Hoffnungsschimmer am Glimmen zu halten – den nach einer beruflichen Zukunft. Es sind Teens und Twens vom Förderzentrum, von Mittel-, Wirtschafts- oder sogar Realschule. Jugendliche mit und ohne Entlasszeugnis. Youngster, die einen Abschluss nachholen möchten, auf der Suche nach einer Ausbildungs- oder Arbeitsstelle sind und Jugendliche, die „einfach nur herausfinden wollen, was sie eigentlich mögen“. Deshalb gilt: Am Anfang ist die „Eignungsanalyse“. Um nämlich zu eruieren, „wie die Teilnehmer ticken“, würden Stärke-Schwächen-Profile erstellt, die dazu dienen, individuelle Qualifizierungspläne zu konzipieren. Einen für jeden. Erst danach, so Haras, sei der Zugang zur „Grundstufe“ frei. In der würden die Schüler etwa ein halbes Jahr lang Theorie pauken und in diversen Praktika Berufsalltagsluft schnuppern. „Es geht dabei um Orientierung. Die Teilnehmer sollen feststellen, was ihnen liegt“, erläutert Natalia Haras. Dazu sei handwerkliches Geschick auch in den hauseigenen Metall-, Farb-, Holz- und Gastronomie-Werkstätten (letztere wurde in die Traubengasse ausgelagert) zu testen.

Im Erdgeschoss, bei Schreinermeister Heinz Kunkel zum Beispiel, da klopfen die jungen Leute auf Holz. Geschmeidige Werkstücke für den täglichen Gebrauch oder zu Dekorationszwecken kommen dabei heraus. Bisweilen gelte es sogar, größere Aufträge für örtliche Institutionen zu erledigen. Manche der Jugendlichen seien dann mehr, manche „überhaupt nicht bei der Sache“. Für Kategorie eins lässt Kunkel schon mal seine Beziehungen bei anderen Schreinern spielen. Die Vermittlung handwerklichen Knowhows ist für einen Profi wie Heinz Kunkel freilich kein Problem. Das hingegen schon: „Viele unserer Jugendlichen wissen überhaupt nicht, wie ein Miteinander funktioniert“. Deshalb müsste man ihnen zunächst elementare Basics verklickern: Höflichkeit, Kommunikations- und Organisationsfertigkeiten, Pünktlichkeit. Aber nicht nur darum, sagt Susanne Laubinger, sei die Grundstufe wichtig. Sie selbst hätte danach „einfach die Richtung gewusst“, aus der Praxis heraus: „Floristin wollte ich nicht werden und Maschinen- und Anlagenführerin war zu schwer“. Drum entschied sie: erstmal den Mittelschul-Abschluss packen und dann Erfahrungen im Verkauf sammeln. „Förderstufe“ sei diese Zeit überschrieben, klärt Natalia Haras auf. Eine Zeit, in der es um die individuelle Festigung beruflicher Fertigkeiten ginge.

Und eine Etappe, auf der viele das Handtuch werfen würden. Ja, ihre „Hauptschul-Beschulung“ hätte es wirklich in sich gehabt, schnauft Susanne Laubinger noch immer. „Aber ich wollt’s schaffen!“, insistiert das Mädchen – und „viel Unterstützung“ sei einem auf seinem Weg ja gewiss.

Dennoch. Nicht alle 70 Teilnehmer des Jahrgangs 2013/14 bewiesen soviel Biss. Einige hätten zwar beizeiten einen Ausbildungsplatz gefunden, andere hingegen vorzeitig ihren Vertrag mit Kolping gekündigt. Die Abbrecherquote liegt bei 30 Prozent. Abschlusszeugnisse hielten somit am Ende nur sieben Absolventen in Händen. Es waren jene, die wie Susanne Laubinger, „den Lohn für die ganze Anstrengung“ ernten wollten. „Un-be-dingt“.

PETRA BITTNER
nordbayern.de

08.09.2014