Geistlicher Impuls zu Weihnachten

Liebe Kolpingschwestern und –brüder, Maria, Josef und vor allem das Jesuskind gehören in jede Weihnachtskrippe. Meistens sind auch noch ein paar Hirten zu sehen mit ihren Schafen, und oben über dem Stall dann die Engel, die uns verkünden: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede den Menschen auf Erden.

 

Auch zwei andere Figuren aber werden selten vergessen: Es sind die zwei Tiere, die dem Christkind Gesellschaft leisten, es sind der Ochs und der Esel. Im Evangelium ist zwar von den Hirten mit ihren Schafen die Rede, nicht aber von einem Ochsen und einem Esel. Und doch hat es seinen Sinn, wenn die zwei in unseren Krippen mit im Stall stehen. Ja, wir dürfen sogar davon ausgehen, dass sie tatsächlich bei der Geburt Jesu dabei waren. Denn 740 Jahre vor Christi Geburt schon hat der Prophet Jesaja eine Vision. In einer Rede, die er im Namen Gottes an sein Volk richtet, ruft er: Der Ochs kennt seinen Besitzer, und der Esel kennt die Krippe seines Herrn. Mein Volk aber hat keine Einsicht. Etwa dreihundert Jahre nach der Geburt Jesu steht daher in einer außerbiblischen Schrift, die uns überliefert ist: Ochs und Esel beteten ihn an und nahmen ihn in ihre Mitte. Und so erfüllte sich, was durch den Propheten Jesaja gesagt worden war.

Liebe Kolpingschwestern und –brüder, Ochs und Esel haben keinen Verstand. Sie zweifeln nicht wie manche Menschen, die abfallen von dem, der sie erlöst hat. Ochs und Esel kennen ihren Besitzer. Sie spüren: Das Kind in der Krippe ist unser Herr. Die Hirten brauchen Engel, die ihnen das sagen, und die Weisen aus dem Morgenland brauchen einen Stern. Ochs und Esel aber sind schon da, sie nehmen das Kind in ihre Mitte und fühlen sich hingezogen zu ihm. Sie leisten dem in der Krippe Gesellschaft, dem, der sich selbst erniedrigt hat und Fleisch angenommen hat und für uns gehorsam wurde bis zum Tod am Kreuz.

Ein Ochs kann den Karren wieder aus dem Dreck ziehen, und dem Esel kann man schwere Lasten auf den Buckel laden. Das Kind in der Krippe ist Mensch geworden, um den Karren der sündigen Menschheit und der verlorenen Welt aus dem Dreck zu ziehen. Das Kind in der Krippe ist gekommen, um die Schuld aller Menschen auf sich zu nehmen und die Sünden von uns allen zu tragen.

Die heiligen Kirchenväter sehen im Ochsen von Bethlehem einen Hinweis auf das Volk Israel und im Esel ein Bild für die Heiden. Christus ist in die Welt gekommen, um Juden und Heiden in einem neuen Bund zu vereinen. Das Kind in der Krippe verbindet Menschen und Völker. Das Kind in der Krippe wird zum Mittelpunkt der gesamten Schöpfung. Alles Schwere, das wir in unserem Leben auf uns nehmen müssen, trägt dieses Kind mit uns bis ans Ziel. Alle unsere Mühen, uns und andere aus dem Verderben und aus Elend und Sünde herauszuziehen, führt dieses Kind zum Erfolg.

Adolph Kolping sagt einmal: „Ein Ochs sieht die Welt ochsig an, ein Esel eselhaft“ (KS 4, S. 103). Im Blick auf das Kind in der Krippe freilich können auch wir etwas lernen von diesen beiden Tieren. Wie Ochs und Esel nämlich, die das Kind von Bethlehem aufgenommen haben in ihrer Mitte, so sollen auch wir ihm Platz geben in unserer Welt. Der menschgewordene Gott ist denen besonders nahe, die die Lasten anderer bereitwillig teilen und helfen, ihre Nächsten herauszuziehen aus Elend und Not.

„Gewiss wäre es schön“, mahnt unser seliger Gesellenvater deshalb, „wenn das heilige Weihnachtsfest, an dem Gott den Menschen die größte Wohltat, die ihnen zuteilwerden konnte, auf die Erde herabbrachte, auch von den Menschen hinwieder zu einem wahren, christlichen Wohltätigkeitsfeste gemacht würde und man nicht bloß am heiligen Abende seine Kinder und Freunde frohmachte, sondern gerade vorzugsweise diejenigen, die gewissermaßen direkt die Stelle des armen Jesuskindes vertreten, an die der Heiland namentlich seine Rechte abgetreten hat“ (RV 1855, S. 807).

In diesem Sinn gnadenreiche Weihnachten und Gottes Schutz und Segen für das Jahr des Herrn 2016

Euer Diözesanpräses

Stefan Killermann

25.12.2015