Geistlicher Impuls

Ein Mann, der in der Meditation sehr erfahren war, wurde einmal gefragt: „Sagen Sie: „Warum können Sie, obwohl Sie so viel beschäftigt sind, immer so ruhig und gesammelt sein?“. Der Mann gab zur Antwort: „Wissen Sie: Wenn ich stehe, dann stehe ich. Wenn ich gehe, dann gehe ich. Wenn ich esse, dann esse ich. Wenn ich spreche, dann spreche ich“. Da fielen ihm die Leute ins Wort und sagten: „Das tun wir doch auch!“. Er aber entgegnete ihnen: „Nein, das tut ihr nicht ! Denn wenn ihr sitzt, dann steht ihr schon. Wenn ihr lauft, seid ihr schon am Ziel. Und wenn ihr betet, dann seid ihr mit euren Gedanken schon wieder ganz woanders!“.

Vielleicht gehören auch wir manchmal zu diesen ruhelosen Menschen, die im Sitzen stehen und überall, wo sie hinkommen, in Gedanken schon wieder ganz wo anders sind. Auch wir sind oft gehetzt und springen von einem Termin zum andern. Auch wir meinen oft: je mehr ich in möglichst kurzer Zeit erledigen kann, desto wertvoller und erfolgreicher ist mein Leben. Aber ist es wirklich gut, wenn wir drei, vier Dinge gleichzeitig im Kopf haben statt uns auf eines zu konzentrieren? Kann es da nicht sein, dass wir das Wichtigste dabei übersehen, dass wir vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr erkennen? Es wäre sicher oft besser, Weniges gut zu machen, als Vieles halb und schlecht.

Nicht Leistungsdruck ist das, was Gott für uns will, nicht Hetze, nicht Stress. Gott hat die Zeit geschaffen, sagt ein Sprichwort, aber von Eile hat er nichts gesagt. Am siebten Tag, steht in der Bibel, hat er selbst eine Pause eingelegt. Jesus erklärt ja auch ganz deutlich: „Der Sabbat ist für den Menschen da“. Und er lädt seine Jünger ein, nach einem anstrengenden Tag mit ihm an einen einsamen Ort zu kommen und etwas auszuruhen.

Auch für uns alle gilt deshalb: Wenn wir wieder zur Ruhe kommen und uns ein wenig erholen, brauchen nicht schon zu fürchten, etwas Wichtiges zu verlieren und zu versäumen.

Die Sonn- und Feiertage zum Beispiel sollen für uns so etwas wie Oasen der Stille sein, Tage, die uns wieder zur Besinnung und zur inneren Ruhe bringen. Und auch die Ferien und der Urlaub, die jetzt wieder vor uns stehen, sind solche Zeiten, in denen wir wieder ein wenig Abstand gewinnen sollen von der Hektik des täglichen Lebens, Zeiten, in denen wir das Wesentliche unseres Lebens wieder neu entdecken können.

Sicher werden wir auch in den Ferien und im Urlaub Vieles von dem tun, was wir auch sonst machen: auch im Urlaub essen, schlafen und lesen wir, auch im Urlaub gehen wir aus dem Haus, unterhalten wir uns und erledigen manche Arbeit. Entscheidend ist dabei auch gar nicht so sehr, was wir tun. Entscheidend ist, wie wir es tun: wenn ich schlafe, dann schlafe ich und brauche nicht schon wieder ans Aufstehen zu denken; wenn ich esse, dann wartet das Essen auf mich und nicht schon wieder der nächste Termin; wenn ich bete, dann bete ich und bin nicht schon wieder bei tausend anderen Dingen in meinen Gedanken.

Wichtig also wäre also vor allem, dass wir wieder zur Ruhe kommen. Denn wenn wir ruhiger werden, dann finden wir wieder zurück zu unserer Mitte und zu unserem Ursprung, und wir erkennen wieder besser den tragenden Grund, den Sinn und das Ziel unseres Lebens.

Auf diese Weise aber spüren wir auch: Ruhe und Erholung dürfen nicht nur ein Nichtstun sein. Ruhe und Erholung müssen genützt werden, um wieder zum Wesentlichen zu finden. Ja, wir können überhaupt nicht zur Ruhe kommen, wenn wir innerlich unruhig bleiben, weil wir das Wesentliche außer acht lassen: Gott, die Mitte, die Quelle und das Ziel unseres Lebens. Wir dürfen Urlaub machen und sollen uns ausruhen. Aber auch an den Tagen der Erholung und der Ruhe kann es keine Ferien von Gott geben. Auch an diesen Tagen ist Gott bei uns. Auch an diesen Tagen brauchen wir seine schützende Hand. „Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“, verspricht uns Jesus. Denn Gott geht niemals in Urlaub. Er bleibt uns nahe, damit wir ihn finden können gerade dann, wenn wir mehr Zeit haben als sonst.

Adolph Kolping sagt einmal: „In der Erholung und Erheiterung soll Körper und Geist Kräfte sammeln und erfrischen, nicht verlieren“.

Nützen wir also diese Gelegenheit in den kommenden Wochen. In den Ferien und im Urlaub können wir unsere Verbindung zu Gott wieder vertiefen, und wir können aus dieser Verbindung neue Kräfte schöpfen für unseren Körper und unseren Geist.

Msgr. Dr. Stefan Killermann
Diözesanpräses